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Der Ermittlungsausschuss, kurz EA genannt
Gespräch zwischen der Autorin und Menschen vom EA Wendland am 4. Februar 2013
„EA – das sind doch die, deren Nummer man sich auf den Arm schreibt, wenn man zur Demo geht und die sagen, dass man vorher alle Adressen auf seinem Handy löschen soll?“
Soweit der Kommentar meiner 17-jährigen Tochter, als ich erzähle, dass ich zu einem Interview mit den Leuten vom EA fahre.
Nicht schlecht, meinen meine Gesprächspartner später. Die Telefonnummer brauchst Du für den Fall, dass Du von der Polizei mitgenommen wirst oder eine Festnahme beobachtest. Wir versuchen dann, dass die Leute möglichst schnell wieder raus kommen, z. B. indem wir anwaltliche Unterstützung organisieren.
Wir möchten dazu beitragen, dass sich Menschen innerhalb der Anti-AKWBewegung möglichst sicher fühlen, wenn sie sich engagieren. Bei Castortransporten wird es dann sehr konkret hier im Wendland mit den in vielfältiger Weise vorgebrachten politischen Forderungen, etwa nach einem sofortigen Atomausstieg.
Wenn ich so eure Verhaltensregeln lese (Auszug nächste Seite) dann komme ich doch sehr ins Zweifeln: Das alles soll nötig sein, nur, weil ich hier in Deutschland auf eine Demo gehe?
Was Du da liest, ergibt sich aus konkreten Erfahrungen. Das ist keine Theorie oder Panikmache. Wir wollen ja niemanden davon abhalten, auf Demos zu gehen oder Aktionen durchzuführen, sondern wir wollen Unterstützung geben und Mut machen.
Ich dachte immer, wir leben in einem Rechtsstaat und in dem herrscht per Definition Recht und nicht Willkür.
Der Staat hat das Gewaltmonopol. Das heißt, er definiert, was als Gewalt gilt. Vor Ort bestimmt dann die Polizei, ob z. B. eine Sitzblockade Gewalt ist oder ob eine den Verkehr beeinträchtigende Versammlung eine Nötigung darstellen soll. Wir akzeptieren diese wechselnden Definitionen nicht.
Nix mit: Die Polizei – dein Freund und Helfer?
Die Erfahrung zeigt, dass die Polizei seit vielen Jahren systematisch und vorsätzlich das Recht bricht, das sie zu schützen vorgibt.
Auf meinen erstaunten Blick hin legen die Leute vom EA nach:Das ist in zahllosen Fällen von Gerichten bestätigt worden, vor allem bei massenhaften Ingewahrsamnahmen, den sogenannten Polizeikesseln. In vielen Fällen wird nachträglich nachgewiesen, dass das Verhalten der Polizei unrechtmäßig war, das ändert erst mal nichts, dann wird es wieder und wieder gerichtlich eingeklagt und irgendwann, wenn es oft genug von Gerichten bestätigt wurde, dann ändert sich vielleicht auch was bei der Polizei.
Seid ihr alle Volljuristen?
Nein, aber wir arbeiten mit Anwälten zusammen, Anwälte, die sich mit den Dingen, um die es bei uns geht, besonders gut auskennen. Zu besonderen Zeiten, z.B. während der Castortransporte, arbeiten viele direkt vor Ort.
Was soll ich tun, wenn mir plötzlich eine Vorladung der Polizei ins Haus flattert?
Erstmal keine Panik. Dann: UNS ANRUFEN!!!
Wir sagen Dir, was Du am besten tust und vor allem, was Du am besten nicht tust. Zum Beispiel muss einer polizeilichen Vorladung prinzipiell nicht gefolgt werden.
Arbeitet ihr alle ehrenamtlich?
Ja, und so machen es die AnwältInnen während der Castortransporte auch.
Und was macht Ihr, wenn gerade mal kein Castortransport ansteht?
Wir begleiten Prozesse, unterstützen Angeklagte finanziell, geben Infomaterialien heraus und organisieren Veranstaltungen. Das alles finanzieren wir über Spenden.
Danke für eure Arbeit!
Felice Meer Und hier die Nummer (nicht nur) für den Arm
Ermittlungsausschuss: 05841 97 94 30
(Telefonsprechstunde, wenn gerade kein Castor fährt, immer Mittwochs von 19:30 bis 21:00 Uhr)
Spenden bitte an:
Volksbank Clenze-Hitzacker
BLZ 258 619 90 | Konto 129 45
Verhalten auf Demos
AUF DER DEMO ODER DER AKTION!
Notiert euch die EA-Nummer mit einem wasserfesten Stift auf euren Arm: 05841-979430. Haltet euch an eure Absprachen. Passt aufeinander auf und achtet auch auf andere. Bleibt ruhig, verbreitet keine Gerüchte, verhindert Panik. Überlegt euch, worüber ihr auf der Demo sprecht: unter den Teilnehmenden können Polizeispitzel sein. Macht keine Foto- und Videoaufnahmen von Personen und Aktionen.
Nimm nur mit, was du wirklich auf der Demo brauchst, z. B:
- gültigen Personalausweis, Pass, Visum
- Stift und Papier
- Telefonkarte und Kleingeld
- Medikamente, die du regelmäßig oder
- in Stresssituationen einnehmen musst
- angemessene Kleidung
- Krankenkassenkarte
- Tampons
- Stadtplan
Die Fortsetzung der Gorleben-Lügen:
Gorleben ist nun überall
Passend zum Mai müsste doch im Wendland allgemeine Jubelstimmung herrschen. Endlich soll ergebnisoffen, fair und transparent auf der weißen Landkarte der Republik nach einem atomaren Endlager gesucht werden. Gorleben könnte, sollte, müsste da schon irgendwie anhand von ominösen „Kriterien“ herausfallen. Nur von Beginn an ausschließen könne man den Standort natürlich nicht. Sonst würden ja die ganzen süddeutschen Atomländerchefs ihre weißen Landkarten auch gleich wieder zurückziehen. Atommüllentsorgung am Spieletisch sozusagen: Spitz, pass auf!
Man fragt sich nicht nur, wo denn da noch eine Landkarte weiß sein soll. Wer genauer hinschaut, sieht, dass die ganze Republik voller Atommeiler und Atommüll steht. „Man hätte vor 50 Jahren niemals in diese Technologie einsteigen dürfen, ohne zu wissen, wo man mit dem Müll bleibt“, sagte Umweltminister Peter Altmaier den Wendländern bei seinem ersten Besuch im Januar. Ein Satz, der sonst immer in der anderen Richtung Verwendung fand. Herr Altmaier kam mit dem Ziel, für das Endlagersuchgesetz zu werben. Er schmierte den Wendländern auch an anderen Stellen Honig um den Bart.
Wissen Sie, was man unter dem Fremdwort „perfide“ versteht? Während man sich bei einem offensichtlichen Betrug der arglistigen Täuschung oder Heimtücke der Arglosigkeit der Opfer bedient und deren Unkenntnis der Gefahr voraussetzt, wird bei der früher auch „Niedertracht“ genannten Unredlichkeit der „Perfidie“ Vertrauen erst erzeugt, um dieses zum eigenen Vorteil zu missbrauchen. Im Krieg gilt ein solcher Angriff unter der weißen Parlamentärsflagge übrigens völkerrechtlich als Kriegsverbrechen. In der Politik könnte es sich allerdings bedauerlicherweise inzwischen um einen ganz alltäglichen Vorgang handeln.
Das sogenannte Endlagersuchgesetz (ESG), welches weniger ein Endlager Gorleben ueberall sucht als vielmehr am Ende ein solches durchsetzen soll, ist so ein perfider Vorschlag. Vordergründig wird den jahrzehntealten Forderungen von Umweltverbänden und Initiativen Rechnung getragen, endlich eine alternative Endlagersuche jenseits von Gorleben auf den Weg zu bringen. Soweit das erzeugte Vertrauen.
Um zu verstehen, was dieses Gesetz jedoch bei näherem Hinsehen mit sich bringt, muss man erst einmal verstehen, in welcher Situation es aus dem Hut gezaubert wurde. Nach nunmehr nahezu 100 Sitzungen beendet der Parlamentarische Untersuchungsausschuss „Gorleben“ dieser Tage in Berlin seine Arbeit mit nichtöffentlichen Beratungen &über das weitere Vorgehen. Während man sich zwischen Regierung und Opposition wohl kaum auf einen gemeinsamen Abschlussbericht einigt, gilt ein Ergebnis als inzwischen unausweichlich. Die aller älteste Gorleben-Lüge, der Standort sei das Ergebnis eines Abwägungs- und Auswahlverfahrens gewesen, lässt sich aufgrund erdrückender Beweise und der Befragung der Kanzlerin über ihre Zeit als Umweltministerin einfach nicht mehr aufrecht erhalten. Die einstige politisch motivierte Vorfestlegung auf den Standort gefährdet aber das gesamte Projekt der Gorleben-Befürworter, denn bei einer späteren gerichtlichen überprüfung würde es eine wesentliche Rolle spielen, ob Handlungsalternativen abgewogen und eine Auswahl getroffen wurde. Genau diese „Abwägungsentscheidung“ liefert nun das Standortsuchgesetz nach. Verstehen Sie nun, warum Gorleben auf keinen Fall aus diesem „Topf“ fallen soll?
Aber damit noch nicht genug. Beklagen könnte ein solches womöglich unzureichendes Verfahren nur, wer in seinen Rechten betroffen ist. Auch damit soll nun Schluss sein! Anstelle eines atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens darf die interessierte Öffentlichkeit „mitreden“, aber nicht entscheiden. Eine Klagemöglichkeit wird ausgeschlossen durch einen Verfahrenstrick: Jede Stufe der Entscheidung bei einer Standortsuche wird per Gesetz geregelt. Eine Anhörung, Erörterung und Klagemöglichkeit entfällt. Mit dem neuen Gesetz wären jedoch auch diese schlagartig ihres verwaltungsrechtlichen Schutzes beraubt. Das ist vordemokratisch!
Dämmert Ihnen etwas? Nun ist es natürlich verwunderlich, warum ausgerechnet die Oppositionsparteien im Bund bis auf die Linke ebenfalls Werbung für diesen „Endlagerkonsens“ machen. Ein Konsens in der Politik ist aber immer ein Formelkompromiss, der möglichst alle Türen offen hält. Damit wir uns also richtig verstehen: mit diesem Gesetz könnte man Gorleben als Endlager ebenso durchsetzen wie auch verhindern. Die Entscheidung dazu träfe jeweils die Mehrheit des Bundestages. Allein die Kriterien, anhand derer Gorleben doch noch aus dem Rennen scheiden soll, sind ausgerechnet diejenigen, welche seit 35 Jahren auf diesen Standort maßgeschneidert wurden…
Lassen Sie sich von der künstlichen Eile der Politik nicht ins Bockshorn jagen. Atommüll strahlt für die menschliche Ewigkeit. Da kommt es weder auf ein paar Monate noch ein paar Jahre an. Worauf es allerdings sehr ankommen könnte, sind die Sorgfalt und die Reihenfolge des Verfahrens. Einen Konsens der Politik über das Vorgehen herzustellen, ist sicher kein Fehler. Aber bereits alles in ein Gesetz zu gießen, bevor die gesellschaftliche Verständigung darüber, mit welchem Risiko wir leben und was wir unseren Nachfahren zumuten wollen, stattgefunden hat, nützt nur Wenigen. Nämlich denen, welche die Spuren menschlicher Hybris – womöglich ihrer eigenen – schnell und damit billig verscharren wollen.
Sie möchten diesem atomaren Entsorgungs-Wahnsinn ein Ende bereiten?
Sie wünschen sich eine Menschheit mit Zukunft? Was können Sie tun?
Fragen Sie doch mal Ihre/n örtlichen Bundestagsabgeordnete oder -abgeordneten, ob sie das Gesetz gelesen und verstanden haben und dem Gesetz zustimmen werden. Dann fragen Sie doch auch gleich, ob es in Ihrer Nähe Kristallin-, Ton- oder Salzformationen gibt, die für ein Endlager in Frage kämen. Und ob sie es denn richtig fänden, dass Sie als Anwohner gar keinen Rechtsschutz mehr hätten, wenn die Mehrheit des Bundestages, die ja nicht in Ihrer Nähe lebt, dort ein Endlager beschließen würde. Und warum denn keine Öffentlichkeitsbeteiligung nach Internationalen Standards mehr vorgesehen sei. Oder ob sie ein Risiko für einen von zehntausend Menschen, ernsthaft zu erkranken, als „sicher“ betrachten würden.
Dann fragen Sie doch auch gleich einmal, was denn dagegen spräche, ein solches Gesetz mit einer der Tragweite der Entscheidungen angemessenen Ruhe und Zeit durch einen Ethik- oder Zukunftsrat unter Beteiligung der Öffentlichkeit vorzubereiten.
Spätestens, wenn Ihnen dann ein dreißigjähriger Abgeordneter nach fast 60 Jahren Atomspaltung angesichts von 1 Million Jahren Endlagerung etwas von zuschlagenden Zeitfenstern und einem Konsens der Politik erzählt anstatt auf ihre Fragen einzugehen, sollten Sie doch einmal stutzig werden und den Zugang durch die Tür fordern.
Die wendländischen Positionen gegen das voreilige Endlagersuchgesetz Endlagersuchgesetz können Sie auch unterstützen, indem Sie sich und andere an vielen Stellen der Kulturellen Landpartie informieren, sich an den Aktionen der Bürgerinitiative beteiligen und an unserer Unterschriftenaktion teilnehmen. Denn: Ein faules Ei verdirbt den ganzen Kuchen.
Kunst im Exil
TACHELES Berlin im Exil
Raum2 Neu Tramm
Der Kulturverein Raum2 e. V. in Neu Tramm bietet seit über 13 Jahren selbstorganisierte, subkulturelle Angebote im Wendland. Der urbane Charakter des ehemaligen Fabrikgeländes bietet ganzjährig Raum für unkommerzielle, kulturelle und künstlerische Veranstaltungen.Anlässlich der Räumung des Berliner Kunsthauses Tacheles im September 2012, präsentiert der Verein gemeinsam mit den Künstlern des Tacheles eine Sonderausstellung mit dem Thema: „Verdrängung von Kunst“.
Portrait von Alexander Rodin nach seiner illegalen Zwangsräumung aus seinem Atelier im 5. Stock vom Tacheles
Zu sehen gibt's eine bunte Vielfalt verschiedenster Kunststile und Techniken so bunt wie die Künstler selbst. Das Tacheles stand für den Aufbruch der Neunziger Jahre, für eine Zeit, in der alles möglich war. Das Kunsthaus hat über 22 Jahre als selbstorganisiertes, unabhängiges Haus in der Mitte Berlins überlebt. Nachdem ein Teil einer ehemaligen Einkaufspassage in der Oranienburger Straße in den 80er Jahren aus statischen Gründen abgerissen wurde, besetzte die Künstlerinitiative Tacheles im Februar 1990 den noch stehen gebliebenen Rest des Gebäudes kurz vor der planmäßigen Sprengung. Über die Jahre hatte sich der Komplex zu einem festen Kunst-, Aktions-, Veranstaltungs- und Kommunikationszentrum in Berlin entwickelt.
Es erfreute sich nationaler wie internationaler Beliebtheit und war mit seinen Kunst-Freiräumen praktisch permanent ausgelastet mit der Betreuung bildender Künstler und Musiker aus aller Herren Länder. Mit jährlich über 500 000 Besuchern war das Tacheles ein Wahrzeichen Berlins und ein wichtiger Beitrag für die unabhängige, internationale Kunstszene. Das Grundstück gehört jetzt der Landesbank der Bundesländer Hamburg und Schleswig Holstein. Die Bank will das gesamte Gelände in Berlin- Mitte nach einem jahrelangen Streit zwangsversteigern lassen. Für die insgesamt 16 Grundstücke an der Ecke zur Friedrichstraße sind gut 35 Millionen Euro als Preis vorgeschlagen.
Bei der endgültigen Räumung des „Tacheles“ konnte man Szenen vom Umgang mit Kunst und Künstlern erleben, wie wir sie aus autoritären Regimes, aus Moskau oder aus Peking kennen. Neben den Absperrgittern erschienen etwa 30 uniformierte Männer von einem Sicherheitsdienst der HSH Nordbank und verschafften sich widerrechtlich Zugang in das Haus. Sie räumten das fünfte Obergeschoss im Tacheles, einschließlich der Bilder des weißrussischen Exil-Künstlers Alexander Rodin. Nachdem man ihn aus seinem Atelier drängte, wurde ein Teil dieser Bilder zerstört, eines mit einem Cutter zerschnitten, auf Bücher und Skizzen wurde uriniert.
Die Verdrängung der Künstler aus der Mitte Berlins wurde mit der Räumung des Tacheles weitgehend abgeschlossen und zu einem bitteren Ende geführt. Mit immer neuen Tricks und Kriminalisierung wird die einst als Kunsthauptstadt gefeierte Stadt „entkünstlert“ und verliert ihr Ansehen in der Welt.
Nun ist das Haus futsch, aber die Künstlergemeinschaft ist bestehen geblieben, sie stellen gemeinsam in Berlin, Leipzig, Neapel, Potsdam usw. aus und haben in Potsdam das Tacheles Archiv eingerichtet. Tacheles wird in verschiedenen Projekten wieder auftauchen und sucht in Berlin nach neuen, stationären Möglichkeiten.
Tacheles lebt, jetzt erst recht.
Ausstellungseröffnung: Donnerstag 09.05.2013, 18 Uhr
mit dem Sprecher des Tacheles, Martin Reiter
Die Ausstellung ist täglich in Neu Tramm von 18 – 01 Uhr geöffnet.
www.tacheles.de
www.kritikdesign.blogspot.de